Liebe Praktizierende, liebe Gesundheitsinteressierte
Wir sind freie Menschen. Vielleicht sogar so frei, wie noch nie, sagt man. Unser Leben erstreckt sich in einen Raum unendlicher Möglichkeiten, die quasi gleichwertig nebeneinanderstehen. Zunächst klingt dies wundervoll. Doch es gibt einen Haken.
Wenn man sich nämlich das Konzept der Freiheit etwas genauer anschaut, dann zeigt sich, dass sich Freiheit in zwei Aspekte aufteilen lässt.
Zum einen ist da die Liberalität, die uns von gesellschaftlichen Normen und Zwängen befreit. Wir sind in unserer Gesellschaft heutzutage sehr viel freier von Kleiderordnungen, von vorgeschriebenen Lebenswegen, von traditionellen Rollenbildern und anderen Dingen, die bis vor wenigen Jahrzehnten noch viel restriktiver geregelt waren.
Die zweite Art der Freiheit ist die persönliche Gestaltungsfreiheit, die sich aus dieser Liberalität ergibt. Denn je liberaler unsere Lebensumstände sind, desto mehr Optionen stehen uns auch zur Verfügung, um unser Leben nach eigenem Ermessen zu formen.
Mit der über die Jahre gewachsenen Liberalität kam im Umkehrschluss auch immer mehr Verantwortung für das eigene Leben zu uns. Es obliegt zunehmend jedem Einzelnen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und somit seine persönliche Identität zu formen. Wir können Verantwortung weniger „auslagern“ an gesellschaftliche Regeln, Glaubenssätze und Automatismen, sondern jede freie Entscheidung ist auch unsere Verantwortung.
Wir können heute beschliessen, Wirtschaftswissenschaften zu studieren und uns kurz darauf umentscheiden, nach Amsterdam ziehen und es dort als Strassenmusiker versuchen. Fast alles scheint grundsätzlich möglich, und genau so kann die scheinbare „Grenzenlosigkeit“ letztendlich sogar ein echtes Problem für die persönliche Gestaltungsfreiheit werden.
Der Soziologe Stefan Hradil sagt diesbezüglich: "Kurzfristige Möglichkeiten, die uns die Liberalität bietet, wie Konsumfreiheiten und Reisemöglichkeiten, sind zwar angenehm, doch sie verleihen uns keine Identität, kein Wissen darüber, wofür wir stehen, wofür wir uns langfristig einsetzen."
Denn auch wenn wir viele Freiheiten geniessen, hinterlässt alles Spuren in und um uns. Wir selber sind das Produkt unzähliger Entscheidungen, die wir tagtäglich treffen – denn, «du bist was du isst», aber auch was du denkst, tust und ausprobierst. Und mit jeder persönlichen Entscheidung beeinflussen wir auch das Leben unseres Umfelds. Das erfordert ein mit der Freiheit gewachsenes Bewusstsein und Achtsamkeit.
Bedauerlicherweise zeigt sich heutzutage, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, diese gewachsene Verantwortung für die eigenen Handlungen wahrzunehmen und sich vor der damit verbundenen Anstrengung scheuen. Die Konsequenz ist eine weitverbreitete Orientierungslosigkeit. Trotz, oder eben genau wegen des Überflusses an Optionen zögern wir oft, uns ernsthaft und existenziell mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen, die das Potential der Freiheit mit sich bringt.
Ein kurzes, aber schönes Sprichwort von Hans-Christoph Neuert bringt diese Herausforderung wunderbar auf den Punkt:
Freiheit
musst du dir
verdienen,
durch Ringen
mit dir
um dich selbst
So laden wir Sie ein, der Freiheit mit Bewusstsein und Achtsamkeit zu begegnen, ihre Potentiale für das Gute zu nutzen, für Inspiration, Wachstum, Entfaltung und Bedeutsamkeit – sowohl für sich selbst als auch für die Gemeinschaft und die Welt, in der wir leben. Auf dass sich unser Bewusstsein und die Verantwortung zusammen mit unserer Freiheit entwickeln, für eine gute Balance aus «Freisein» und «Verantwortung» und damit einer wahren / nachhaltigen, erfüllten Freiheit.
Herzlichst Ihr gesund.ch-Team |