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Beginnen möchten wir unseren Dezember-Newsletter diesmal mit dem Gedicht «Zwischenraum» von Lena Raubaum. Vielleicht erkennst du darin die ein oder andere Situation, die du schon einmal durchlebt hast oder vielleicht passt es auch gerade zu deinem Hier und Jetzt.
Im Raum, der da ist zwischen Werden und Sein Im Raum zwischen Aussen und Innen Im Raum, der da ist zwischen dein und mein Im Raum zwischen Stille und Singen Im Raum, der da ist zwischen Schmerz und Gesund Im Raum zwischen Tränen und Lachen Im Raum, der da ist zwischen oder und und Im Raum, der da ist zwischen Warten und Machen Im Raum, der da ist zwischen eng und so weit Im Raum zwischen Fülle und Leere Im Raum, der da ist zwischen Frieden und Streit Im Raum zwischen Leichtem und Schwere Im Raum, der da ist zwischen Ruhe und Beben Zwischen Traum und der Realität Im Raum, der da ist zwischen Nehmen und Geben Da tanzt es und schwingt es – Das Leben
Wir kennen sie alle, diese Zeiten, in denen man spürt, dass etwas Altes bereits vorbei ist und das Neue noch nicht ganz begonnen hat. Aber auch in diesen Zwischenräumen – wie es Lena Raubaum so berührend beschreibt – schwingt das Leben. Manchmal leise, manchmal laut und aufreibend, äusserlich herrscht vielleicht Stillstand und gleichzeitig fühlen sie sich innerlich so intensiv an, diese Zeiten zwischen den Stühlen.
Übergänge sind nicht einfach ein leerer, überflüssiger oder ärgerlicher Raum dazwischen, den es gilt auszuhalten. Sie sind ein elementarer Teil unseres Weges, ohne den Entwicklung nur halb so gut und nachhaltig passieren würde. Sie lassen uns innerlich nachreifen und bereiten uns auf das Kommende vor. Sie sind die Schwellen, an denen sich zeigt, wer wir werden können.
Was wäre zum Beispiel ein Musikstück ohne Pausen und damit scheinbar leeren Räumen zwischen den einzelnen Strophen oder Sätzen? Auch wenn in ihnen äusserlich nichts zu passieren scheint, sind sie doch kraftvoll und wichtig. Sie geben dem Gehörten Raum, um nachzuklingen und nachzuschwingen, erst seine volle Wirkung zu entfalten. Ein Musikstück wäre ohne Pausen nicht halb so eindrucksvoll und schön.
Wie in so einem Musikstück bekommen wir auch in unseren Lebens-Zwischenräumen den notwendigen Raum zum Nachklingen und wieder Luft holen geschenkt.
Wenn uns diese Phasen des Wartens innerlich unruhig machen, kann es tröstlich sein, sich daran zu erinnern, dass unser Leben gar nicht dazu gedacht ist, Schlag auf Schlag zu verlaufen. Tiefe und Qualität entstehen im Übergang, wenn wir uns erlauben, alle notwendigen Atemzüge lang in diesem Dazwischen zu verweilen – und wer weiss, es vielleicht sogar zu geniessen.
Der Dezember lädt uns ein, genau das zu leben. Das alte Jahr fühlt sich schon etwas eng an – wie ein Mantel, der darauf wartet, zur Seite gelegt zu werden. In unseren Gedanken und Plänen sind wir schon im neuen Zeitabschnitt und doch ist das Neue noch nicht ganz da.
Wie wäre es, wenn wir diese Zwischentage im Dezember nicht als stressig oder lästig einordnen, sondern sie bewusst geniessen? Als eine Zeit des Abschliessens von Altem, des innerlichen Sortierens, des Reflektierens; als Teil des natürlichen Rhythmus des Lebendigen, in dem wir einen tiefen Atemzug nehmen, bevor mit dem neuen Jahr ein neuer Satz unseres grossen «Lebens-Musikstücks» beginnen kann.
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